Sprecher:
„Andere Länder, andere Sitten“, sagt ein Sprichwort. So
isst man in Frankreich und Italien zum Beispiel Brot zu einer Mahlzeit, in
Deutschland aber ist Brot häufig die Mahlzeit selbst. Zum Frühstück kommt eher
Süßes dazu, am Abend mehr Wurst und Käse. Und damit der Rest des Tages nicht
ganz brotlos vergehen muss, finden die Deutschen auch tagsüber noch allerlei
Gelegenheit, in den Brotkorb zu greifen. Wer in Deutschland Backwaren wie Brot
oder Brötchen kaufen möchte, kann aus einem sehr großen Angebot wählen. Er hat –
umgangssprachlich gesprochen – die Qual der Wahl. Vollkornbrot, Weizenbrot, Brot
mit Kürbiskernen, Pumpernickel, süße Brötchen, Bauernstuten. Die Liste lässt
sich beliebig fortsetzen. Die Vielfalt im deutschen Brot- und Brötchenkorb war
allerdings nicht immer so groß wie heute. Sie hat sich erst mit den modernen
Essgewohnheiten der Deutschen ergeben, sagt Bäckermeister Klaus Stendebach aus
Bonn.
Klaus Stendebach:
„Erst gab's die Fresswelle. Dann kam die
Sortimentswelle, sag' ich mal, wo der Bäcker sehr viel mehr Sorten anbot.
Im Rahmen dessen kam dann die Biowelle. Und wir haben also dann gesagt,
entweder ganz oder gar nicht. Das hätte geheißen: voll umsteigen auf ‘n
Biosortiment, und das schien uns also schwer umsetzbar. In der Tat sind es auch
relativ wenige Betriebe, die das gemacht haben. Das sind also die
ausgesprochenen Naturkostbäckereien. Es gibt aber ‘ne Menge, die neben
ihrem konventionellen Sortiment dann eben bewusst ‘ne Bioschiene
fahren.“
Sprecher:
Bäckermeister Klaus Stendebach hat bei seinen Kunden
verschiedene Entwicklungen beobachtet. Die Fresswelle, von der er
spricht, bezieht sich auf die 1950er und beginnenden 1960er Jahre. Nach dem
Zweiten Weltkrieg und mit dem wirtschaftlichen Aufschwung entwickelten die
Deutschen ein großes Konsumbedürfnis. Das abwertende Wort fressen
bedeutet hier, dass im Übermaß gegessen wurde. Es folgte laut Klaus Stendebach
die Sortimentswelle. Die Bäcker boten verschiedene Sorten von Backwaren,
ein Sortiment, an. Anfang der 1980er Jahre setzte dann die
Biowelle ein. Sogenannte Naturkostbäckereien wurden gegründet. Sie
verwendeten nur ganz bestimmte Zutaten, die aus dem ökologischen Landbau
stammten. Viele Bäckereien bieten laut Klaus Stendebach eine Mischung aus
herkömmlichen, konventionellen, und Biobackwaren an, sie fahren
zusätzlich eine Bioschiene. Eine Schiene fahren ist ein beliebter
Ausdruck dafür, dass man – wie ein Zug – eine ganz spezielle Richtung
einschlägt. Wurden Backwaren wie Brot und Brötchen früher noch in den Bäckereien
selbst produziert, bestimmen heutzutage Großbäckereien das Bild in Dörfern und
Städten. Sie beliefern ihre Filialen mit vorgefertigten Backwaren. Die Zahl der
traditionellen Handwerksbetriebe sank nach Angaben des Deutschen Bäckerhandwerks
stetig: Waren es in der damaligen Bundesrepublik in den 1960er Jahren noch rund
55.000 gab es im Jahr 2012 in Gesamtdeutschland nur noch rund 13.670 Betriebe.
Bäckermeister Hans Bolten aus Duisburg glaubt dennoch an die Zukunft der kleinen
Bäckereien.
Hans Bolten:
„Der handwerkliche Betrieb, der Bäcker auf der
Ecke, der hat seine Existenzberechtigung immer, weil er viel
flexibler sofort zu den Kundenwünschen reagieren kann. Wenn ich der Bäcker auf
der Ecke bin, dann sag' ich zu meiner Frau: ‚Morgen backe ich diese neue
Brotsorte‘ – und reagier' sofort, ruckzuck.“
Sprecher:
Hans Bolten meint, gute Gründe sprechen dafür, dass es
weiterhin den Bäcker auf der Ecke geben wird. Er wird immer seine
Existenzberechtigung haben. Wenn man umgangssprachlich von einem Laden
auf der Ecke oder auch um die Ecke spricht, ist damit meist ein
kleines Geschäft in der Nähe der eigenen Wohnung gemeint. Weil kleine Bäckereien
keinen großen Organisationsaufwand betreiben müssen, um spezielle Kundenwünsche
zu erfüllen, können sie ruckzuck reagieren und beinahe am nächsten Tag
ein neues Brot oder einen ausgefallenen Kuchen backen. Ruckzuck ist eine
umgangssprachliche Verkürzung aus den Worten rucken und zucken und
bedeutet, dass etwas schnell geht oder gehen soll – genauso schnell wie ein
kurzes Rucken oder Zucken. Im Betrieb von Hans Bolten gibt es – der modernen
Zeit entsprechend – zahlreiche Angebote für diejenigen, die schnell etwas essen
wollen: Thunfischbrötchen und Pizzatasche, Salamibaguette und Schinkenhörnchen.
Hans Bolten beobachtet die Einkaufsgewohnheiten seiner Kunden genau, um
entsprechend reagieren zu können.
Hans Bolten:
„Glauben Sie ja nicht daran, dass ein Kunde, der in
die Stadt geht, einkaufen geht. Der braucht also Kosmetikartikel, der braucht
irgendwelche Artikel aus einem Schreibwarengeschäft. Dass der sich den ganzen
Morgen mit ‘nem Zwei- oder Dreipfünder-Brot abschleppt irgendwo in
einem Einkaufspark. Da sind die Einkaufsverhalten der Kunden ganz anders: kleine
Gewichtseinheiten, damit er gar nicht so viel schleppen braucht, ‘n
großes Brot – haben Sie keine Chance. Die größte Gewichtseinheit, welche ein
Kunde bereit ist, mit nach Haus zu schleppen, ist ein 750-Gramm-Brot, 750
Gramm, Ende der Fahnenstange."
Sprecher:
Während ihres Einkaufs wollen die Menschen in der
Großstadt keine schweren Lasten mit sich schleppen, tragen, – wie
beispielsweise ein Brot, das ein beziehungsweise anderthalb Kilogramm wiegt.
Hans Bolten verwendet die Maßeinheit Pfund, die in der Umgangssprache
beim Einkauf von Lebensmitteln häufig gebraucht wird. Ein Pfund entspricht 500
Gramm. Seiner Erfahrung nach ist bei 750 Gramm für die Kunden das Ende der
Fahnenstange erreicht. Da sei Schluss, ganz so, wie wenn jemand am Ende
eines Fahnenmastes nicht weiterklettern kann. Welches Sortiment ein Bäcker hat,
ist auch abhängig von der Region, in der er seinen Betrieb hat.
Hans Bolten:
„Hier bei uns im Ruhrgebiet, wo eigentlich
immer schwer gearbeitet wurde, hat man überwiegend dunkle, kräftige
Brotsorten gegessen, auch viel Schwarzbrot gegessen. Je weiter Sie zum
Weißwurstäquator raufkommen, geht man oftmals in die
Weizenmischbrotsorten rein, zumindest halb Roggen-, halb Weizenbrot. Und oben in
Bayern wird dann sehr, sehr viel mit Kümmel gegessen. Wenn wir also wie
viel Brötchen jeden Tag backen, dann backen meine bayrischen Kollegen diese
Mengen in Laugenbrezel und nur ganz wenig Brötchen.“
Sprecher:
Der Bäckermeister erklärt, dass es in Deutschland je nach
Region besondere Vorlieben bei Backwaren gibt: Im Ruhrgebiet, im Westen
Deutschlands, das früher sehr stark durch die Kohle- und Stahlindustrie geprägt
war, wird Brot bevorzugt, das einen intensiven, kräftigen, Geschmack hat.
Dazu gehört Schwarzbrot, das aus dunklem, grob gemahlenem Roggenmehl
gebacken wird. Im Süden Deutschlands – etwa in Bayern – werden andere Brotsorten
gern gegessen. Außerdem wird dort sehr oft das Gewürz Kümmel in Brot,
Brötchen und anderen Speisen verwendet. Und in Bayern werden laut Hans Bolten
mehr Laugenbrezeln als Brötchen gebacken. Laugenbrezeln – oder
kurz „Brezeln“ – bestehen aus einem langen Strang Teig, der so geformt wird,
dass er wie zwei übereinander gekreuzte Arme aussieht. Mit dem scherzhaft
gebrauchten Begriff „Weißwurstäquator“ verdeutlicht Hans Bolten eine Art
Grenze zwischen Nord- und Süddeutschland. Denn die Weißwurst ist eine spezielle
Wurst aus Kalbfleisch, die besonders typisch ist für die südlichen Bundesländer.
Je nach Perspektive verläuft dieser Weißwurstäquator ungefähr auf der
Höhe des Main. Die Brotkultur der Deutschen hat sich verändert, und das auf
beiden Seiten des „Weißwurstäquators“. Aber gerade wegen ihrer Vielfalt ist sie
so einzigartig, dass der Zentralverband des Deutschen Bäckerhandwerks sie von
der UNESCO als Weltkulturerbe anerkennen lassen
will.
Fragen zum Text
In den 1980er Jahren …
1. produzierten Bäckereien nur wenige
Brotsorten.
2. mussten besonders viele Bäckereien schließen.
3. boten
Bäckereien Biobackwaren an.
Großbäckereien …
1. können sich schnell den Kundenwünschen
anpassen.
2. verdrängen die Bäcker „auf der Ecke“.
3. beschränken sich in
ihrer Produktion auf regionale Brotsorten.
Jemand, der zwei Kilogramm Äpfel auf dem Markt kaufen will, kann sagen:
…
1. „Geben Sie mir bitte anderthalb Pfund Äpfel.“
2. „Bitte ein
Dreipfünder.“
3. „Ich möchte vier Pfund Äpfel.“
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